Das Theater in der Scheune des Kulturvereins Wilhelmdorf
ist nicht nur älter als der Kulturverein, sondern ist auch dessen Keimzelle: Die Sehnsucht aller Mitwirkenden nach einem eigenen Haus führte zur Gründung des Vereins und damit zu vielfältigen kulturellen Aktivitäten.
Hier ein paar Pressestimmen zu unseren letzten Stücken . . .
“Snaplock”
Schwäbische Zeitung | MITTWOCH 27. APRIL2022
Seit drei Jahren plant der Kulturverein diese Aufführung
Theatergruppe in Wilhelmsdorf lässt sich von Corona nicht unterkriegen
Von Dorothee L. Schaefer Die Kulturszene auf dem Land ist in Pandemie-Zeiten genauso arg gebeutelt wie die Künstler und Künstlerinnen anderswo. Wären da nicht ganze Teams von Theater- und Musikbegeisterten, die schon lange in den Kulturvereinen aus Freude an Literatur, Kunst oder Musik viel Arbeit ohne Bezahlung leisten. Außerdem braucht jeder Kulturverein findige Leute, die sich mit Fördermitteln auskennen und trotz Corona-Einschränkungen und Rückschlägen nicht den Mut und den Humor verlieren.
Der Kulturverein Scheune in Wilhelmsdorf betreibt seit 1977 ein Theater, in dem neben literarischen Stücken auch Lesungen, Kleinkunst, Kabarett veranstaltet werden. Von einer „Scheune“ ist im Gebäude inzwischen nicht mehr viel zu sehen. Nach mehreren Renovierungen, Technikverbesserung und neuer Bestuhlung ist nun vor Kurzem eine Lüftungsanlage eingebaut worden.
Dazu könnte der Vorsitzende des Kulturvereins, Lothar Rilling- Riehmann, eine ganze Weile erzählen, denn ganz so einfach war das nicht. Vom Landesverband Amateurtheater hatte er im letzten Som- mer gehört, dass die Deutsche Theatergesellschaft Zuschüsse geben würde. „Die waren sehr entgegenkommend“, sagt Rilling-Riehmann, „die gaben uns schlussendlich 40 000 Euro, von denen der Verein zehn Prozent tragen musste.“ Außerdem war auch der Rat zu einer Lüf- tungsanlage wertvoll, so wird nun in beiden Etagen die Luft ausgetauscht, mit Ozon angereichert, und das Ganze ist sogar viel leiser. Also von der Technik her alles bestens und sicher. Für 60 Zuschauer ist Platz, Masken sind nicht mehr nötig. (Anm.: Insgesamt sind es je nach Coronaregel bis zu 99 Plätze.)
In eben jener Scheune kann jetzt ein Stück aufgeführt werden, das schon vor drei Jahren geplant wurde. Barbara Kunze, Autorin aus Zußdorf, hat mit „Snap Lock“ ein unterhaltsames Stück mit Songs zwischendurch verfasst, bei denen alle mitwirken. Sie führt Regie, zusammen mit Rilling-Riehmann, der die Musik zu Kunzes Songtexten geschrieben hat und auch auf der Bühne steht. Am Keyboard sitzt Hans Sturm aus Zußdorf. Das Stück spielt in einer Herzklinik, in der eine junge Patientin unter ungeklärten Umständen stirbt und ein Kriminalkommissar, ebenfalls Patient, deswegen auf Spurensuche geht.
In diesem Frühjahr gab es dann noch mal einen Rückschlag: Anfang März liefen gerade die letzten Proben zu „Snap Lock“ – am 18. März sollte Premiere sein -, da wurde der Hauptdarsteller positiv getestet, und alles musste abgesagt werden. In weiser Voraussicht verlegte die Regie die Premiere um sechs Wochen auf Anfang Mai, denn es wurden zwischenzeitlich noch zwei Mitglieder krank, allerdings steckten sie sich nicht bei den Proben an. Nun sieht alles sehr gut aus, und das 13 Köpfe zählende Ensemble freut sich auf die Premiere am 6. Mai um 20 Uhr.
Seit 2019 kooperieren die Waldbühne Zußdorf und das Theater in der Scheune mit diesem Stück, das 2020 bereits Premiere haben sollte. „Wir arbeiten ganz hervorragend zusammen“, sagt Rilling-Riehmann. Das Netzwerk zwischen beiden Vereinen funktioniert aber schon seit vielen Jahren – es spielen Mitglieder von Wilhelmsdorf bei den Freiluftaufführungen im Sommer in Zußdorf mit wie auch Mitglieder aus Zußdorf auf der Bühne der Scheune.
Eine Krimi-Komödie, nach Oscar Wildes Erzählung „Lord Arthur Saviles Verbrechen“ als Theaterstück eingerichtet von Constance Cox, hat das Ensemble Theater in der Scheune, zum ersten Mal unter der Regie von Jörg Ehni, auf die Bühne gestellt.
Von 1887 stammt die Erzählung, von 1963 die etwas verändernde Umarbeitung durch den englischen Bühnenautor und Drehbuchschreiber. Aber Wildes konstante Parodie und sein sarkastischer Witz wirken in den Dialogen und Gruppenszenen des Theaterstücks genauso frisch wie in der Erzählung.
Ein mit zehn Figuren ideales Stück für ein kleines Ensemble, aber dennoch muss man immer schauen, dass sich die passenden Darsteller finden lassen. Bei Jörg Ehni, der lange als Professor an der PH Weingarten wirkte und selbst Theaterstücke, Musicals und Chorlieder geschrieben hat, und seiner Assistentin Magdalena Hangarter lag die Inszenierung jedenfalls in guten Händen, denn Lothar Rilling-Riehmann, der die schön schräge musikalische Begleitung besorgt hatte, stand diesmal selbst als Butler Baines auf der Bühne. Trotz Erkältung gelang ihm eine tadellose Performance.
Das Stück spielt im Haus des Lord Arthur Savile (Oliver Nittka), eines nicht gerade geistig hochbegabten Gentlemans, kurz vor seiner Hochzeit mit der jungen Adligen Sybil Merton (Sonja Riehmann). Deren Mutter Lady Julia (Inge Bürgstein) hält von Savile rein gar nichts und bringt deshalb den Handleser Santoro (Markus Watter) mit, um sicher zu gehen, dass der Zukunft ihrer Tochter nichts im Wege steht. Unter vier Augen eröffnet Santoro dem Lord, dass der einen Mord verüben werde. Was also tun, um dem Fatum zu entgehen – so kurz vor der Hochzeit? Besser gleich erledigen, sagt sich der Lord und versucht, nachdem er den Butler und dann seine Verlobte eingeweiht hat, seine zwei Tanten (Anna Milow, Ingrid Wirth) oder den geistlichen Onkel (Wilhelm Kächele) um die Ecke zu bringen.
Aber es will rein gar nichts klappen, auch nicht mit Hilfe des (hier schwäbischen) unfähigen Anarchisten mit dem beziehungsvollen Namen Fritz Winkelkopf (Benno Ruetz) oder der pfiffigen Bediensteten Nellie (Stephanie Rilling). Bei diesem haarsträubenden Mord-aus-Pflicht-Plot gibt es natürlich für Wilde unzählige Gelegenheiten, die britische Oberklasse gründlich abzubürsten, ihre Arroganz, Dummheit und amoral zu geißeln und rundum Pointen abzuschießen, zum Beispiel über das Grauen der Ehe, ein Dauerthema für den verheirateten Autor und Vater von zwei Söhnen, der junge Männer liebte. Zwei Pointen zur Auswahl: „Arthur hat kein Hirn, er ist nur brauchbar für das House of Lords“, giftet Lady Merton oder „Ich morde doch nicht aus Sparsamkeit“, antwortet Savile auf Baines’ Vorschlag, der ewig schnorrenden Tante Clementina auf ultimative Weise zu „helfen“. Die fünf weiblichen und fünf männlichen Amateurschauspieler – endlich mal Parität! – halten das Geschehen auf Trab, auf einer gut funktionierenden Bühne (Inge Bürgstein und Charly Ruetz), mit effektvollen Kostümen im Stil der Jahrhundertwende und sogar manchem veritablem Knalleffekt.
Zwei Stunden amüsante Unterhaltung, viel Heiterkeit im Publikum über die satirischen Pointen, und das reihum talentierte Ensemble in bester Spiellaune – was will man mehr? Ja, vielleicht mal wieder Wilde lesen, das ist auch immer ein Gewinn.
1944 erlebte das Stück „Mein Freund Harvey“ der Journalistin und Autorin Mary Chase (1907-1981) in New York seine Uraufführung und einen sensationellen Erfolg. 1950 wurde es mit James Stewart verfilmt – auf dem Zenit der Laufbahn des berühmten Schauspielers und eine seiner selteneren Komödien – und ebenfalls ein Riesenerfolg. 1970 entstand noch ein deutscher Fernsehfilm mit Heinz Rühmann. Seither hat das Stück über den schrulligen Elwood P. Dowd und seinen imaginären Hasenfreund eigentlich keinen Rost angesetzt. Trotz seines eher leichten Themas – und geschrieben in der härtesten Phase des Zweiten Weltkrieges – geht seine Botschaft sehr viel tiefer.
Lothar Rilling-Riehmann führt Regie (Bühnenbild Inge Bürgstein und Ensemble) und spielt die Hauptrolle in der neuen Produktion des „Theaters in der Scheune“, die weiteren zehn Rollen sind mit bewährten und jungen Kräften des Ensembles besetzt. Die Handlung spielt an zwei Orten: im Haus von Elwood P. Dowd, das von ihm und von seiner Schwester Veta Louise Simmons (Inge Bürgstein) und deren noch lediger Tochter Myrtle Mae (Anna Milow) bewohnt wird und dem Sanatorium von Prof. William R. Chumley (Wilhelm Kächele), in dem Oberschwester Lynn Kelly (Sonja Riehmann), Psychiater Dr. Thomas Sanderson (Oliver Nittka) und der bullige Pfleger Marvin Wilson (Benno Ruetz) arbeiten. Beide Szenerien werden vom Bühnenpersonal zwischen den einzelnen Auftritten in grauen Arbeitskitteln mit wenigen Handgriffen umgeräumt – so sind auch die Übergänge zwischen den Szenen sichtbar fließend.
Der grundgütige und kommunikative Elwood – Lothar Rilling-Riehmann ist wie gemacht für diese Rolle –, der sich jedem mit seinem vollen Namen vorstellt und seine veraltete Visitenkarte verpasst, wandert als mal kurzfristig in seinen Stammkneipen Verschwundener oder als potenzieller Psychiatriekandidat zwischen diesen beiden Welten hin und her – und mehr und mehr verrutscht in diesem Stück die Perspektive der ,Insassen’ des einen wie des anderen Bereichs. Am Ende sind – nach ein paar Verwechslungen und Irrtümern – die angeblich Normalen alle ein wenig verrückter oder enthemmter und der anfänglich von allen als schrulliger Bekloppter mit einem Hasentick gemiedene Elwood entwickelt am Ende die wirklichen Qualitäten eines Psychiaters, dem sich der vom seelischen Burnout bedrohte Professor Chumley (köstlich Wilhelm Kächele) gerne anvertraut. Verdrehte Welt – und alles wegen eines unsichtbaren Riesenhasen von knapp zwei Metern Länge mit Namen Harvey, der Elwood mit vorausfühlendem ,Rat’ zur Seite steht und ihn bei seinen Kneipentouren begleitet. Ja, Elwood hat vielleicht auch ein Alkoholproblem, aber gegen eine aufgeregte Umgebung, die ständig am Durchdrehen ist – angefangen von seiner besorgten Schwester, großartig von Inge Bürgstein gespielt, und seiner Nichte, deren Lebensglück er angeblich im Wege steht – hilft ihm eben am besten ein Schluck in gemütlicher Gesellschaft.
Im ersten Teil könnten ein paar kleine Straffungen vielleicht nicht schaden, aber im zweiten Teil nimmt das Stück an Fahrt auf und das Ensemble agiert souverän sowie mit Schwung und Liebe zum Detail. Auch die kleineren Nebenrollen wie Helga Steinmann als Tante Ethel oder Ingrid Wirth als Betty Chumley, Dr. Sanderson im Techtelmechtel mit Lynn Kelly, Hanns Pirkl als genervter Anwalt der Familie oder ganz zum Schluss der Auftritt des Chauffeurs Lorenzo D. Scarpaio, von Domenico Geraci gespielt, mit seinem beeindruckenden Monolog über die Wesensveränderung seiner Fahrgäste nach dem Besuch der Chumley-Klinik, der dem ganzen Stück die glückliche Schlusswendung bringt, gestalten einen rundum gelungenen Theatererabend
Einen langen, aber unterhaltsamen Theaterabend stellte die Scheune mit „Mord nach sechs“ auf die Bühne . . . Szenenapplaus, langer Beifall, mehr Begeisterung kann ein Premierenpublikum nicht zeigen . . .